Wie der österreichische Amtsschimmel die grenzübergreifenden Notarzteinsätze Bayern-Österreich zum Erliegen bringt
Wie der österreichische Amtsschimmel die grenzübergreifenden Notarzteinsätze Bayern – Österreich zum Erliegen bringt; nein, keine Anekdote, sondern europäische Realität 2021!
Gelegentlich kommt uns die markante Stimme des Volksschauspielers Gustl Bayrhammer in den Sinn, wenn er den Abspann der beliebten TV-Serie „Königlich Bayerisches Amtsgericht“ moderiert: „Das Leben geht weiter, ob Freispruch oder Zuchthaus, auch in der guten, alten Zeit […] Eine liebe Zeit, trotz der Vorkommnisse – menschlich halt. Und darum kommt es immer wieder zu diesen Szenen …“
Aktuell haben wir es zwar eher mit dem kaiserlich österreichischen Amtsgericht zu tun, die Verhandlungssache jedoch könnte tatsächlich der historischen TV-Serie des Bayerischen Rundfunks entnommen sein.
Es ist das gute Recht der österreichischen Nachbarn zu erwarten, dass jeder Mediziner, der in der Alpenrepublik ärztlich tätig wird, bei der österreichischen Ärztekammer gemeldet ist. In den letzten Wochen jedoch wiehert der Amtsschimmel gewaltig. Auf eine Anfrage unbekannter Herkunft haben österreichische Beamte mitgeteilt, dass diese Meldepflicht auch für fallweise im Rahmen eines Notfalleinsatzes auf österreichischem Staatsgebiet tätig werdenden bayerische Notärzte gälte.
Dabei hatten sie wohl nicht im Blick, dass grenzüberschreitende Notarzteinsätze in beide Richtungen seit jeher zum Standard der notfallmedizinischen Versorgung gehören und vor allem, dass österreichische Bundesbürger in funktionalen Exklaven, wie dem Kleinwalsertal oder der Gemeinde Jungholz, mehrheitlich notfallmedizinisch aus Bayern versorgt werden.
Nachdem die agbn bereits vor einigen Wochen über dieses Problem informiert wurde, erfolgten informelle Gespräche mit dem Bayerischen Staatsministerium des Inneren (BStMI), sowie mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB). Beide Institutionen sind sich einig, dass dieses Problem ausschließlich auf österreichischer Seite verursacht wurde und auch nur dort gelöst werden kann. Es gibt keine bestehende Verträge zw. beiden Staaten und damit auch keine Rechtsgrundlage für die Übernahme von Einsätzen in Österreich. Die Regelungen und Verbindlichkeiten des BayRDG, des ILSG und der NADO-KVB enden an der Bundesgrenze. Sowohl die grenznahen Zweckverbände als auch die Notärztinnen und Notärzte im Grenzbereich wurden entsprechend informiert. Zusätzlich weißt die KVB darauf hin, dass die freiwillige Übernahme solcher Einsätze im „worst case“ möglicherweise unübersehbare rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnten, zumal sich ein dort tätiger Notarzt den Rechtsnormen der Republik Österreich unterwirft.
Der Vorstand der agbn war jedoch von Anfang an davon überzeugt, dass hier zeitnah eine zweitstaatliche Lösung herbeigeführt werden müsse. Entsprechend haben wir Kontakte zu den in Österreich die Notfallmedizin vertretenden Fachgesellschaften aufgenommen. Sowohl die Vorstände der Österreichischen Gesellschaft für Notfall- und Katastrophenmedizin (ÖNK), als auch der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI) haben das Problem unmittelbar aufgegriffen und sich auf Ihren Kanälen an die zuständigen ministeriellen Stellen in Österreich gewandt.
Die Reaktionen waren eindeutig: den österreichischen Behörden war wohl bei der primären Anfrage nicht klar, dass diese sich auf rettungsdienstliche Einsätze eines deutschen Rettungsmittels im öffentlichen Interesse bezog. Deshalb habe man § 37 des österreichischen Ärztegesetzes (ÖÄG) angewandt, welches sich auf Anstellung ausländischer Kollegen im österr. Rettungsdienst bezieht. Auch die österreichische Ärztekammer hat inzwischen eingeräumt, dass die Anwendung dieses Paragraphen zwar formal korrekt, jedoch in der Sache nicht zielführend sei. Nun soll rasch an einer zwischenstaatlichen Lösung gearbeitet werden, Analogien dazu bestehen bereits zwischen Österreich und Italien bzw. Deutschland und Tschechien.
Wir werden als agbn in dieser Angelegenheit weiterhin engen Kontakt mit den österreichischen Fachgesellschaften halten und diesen Missstand nicht auf sich beruhen lassen. Aus formal-juristischer Sicht mag dieser Stopp der zwischenstaatlichen Nothilfe korrekt sein, aus der Perspektive der betroffenen Notfallpatienten ist es aber ein absolutes „No-Go“, das wir ehrlich gesagt Anno Domini 2021 innerhalb der EU und ganz besonders zwischen Deutschland und Österreich nicht für möglich gehalten hätten.