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agbn-Newsletter 2020/01 – Pressemeldung der agbn zur Notarztversorgung in Bayern

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Pressemeldung der agbn zur Notarztversorgung in Bayern

Seit einigen Tagen wird in der Presse und auch im Rundfunk immer wieder über Ausfälle bei der Besetzung von bayerischen Notarztstandorten berichtet. Aus Sicht der agbn ist dies kein ureigenes ärztliches bzw. notärztliches Thema, sondern vielmehr u.a. auch eine Facette des generellen Fachkräftemangels in der Fläche bzw. in gewissen Regionen. Nichtsdestotrotz führt es zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung, die nicht gerechtfertigt ist. Wie bereits seitens der KVB kommuniziert ( https://www.kvb.de/fileadmin/kvb/dokumente/Presse/Statements/KVB-Statement-200117-NAD.pdf ), werden unbesetzte Standorte durch die Alarmierung des Rettungshubschraubers oder des Notarztes vom Nachbarstandort abgedeckt. Insofern wird jeder Notfallpatient in Bayern auch notär ztlich versorgt, soweit ein Notarzt vor Ort erforderlich ist.

Aber natürlich gilt es für Bayern Lösungskonzepte zu finden, die einen durchgängigen und flächendeckenden Notarztdienst auch in der Zukunft sicherstellen. Allerdings hält die agbn die zusätzliche Übertragung (sog. Substitution) von ärztlichen Kompetenzen auf die Berufsgruppe der Notfallsanitäter, wie dies von Vertretern des BRK aktuell gefordert wurde, für einen nicht zielführenden, ja sogar falschen Ansatz. Bereits jetzt sind im BayRDG ausreichende Regelungen definiert (sog. 1c und 2c Maßnahmen), die eine notfallmedizinische Versorgung bis zum Eintreffen des Notarztes auf rechtlich zulässiger Grundlage ermöglichen.

Die Idee, zur Behebung eines (Not-)Ärztemangels ärztliche Tätigkeiten auf Nichtärzte (Ausbildung 3 Jahre) zu übertragen und nur durch spezielle Qualifikationsmaßnahmen im Schnellverfahren quasi auf den Kenntnis-, Fertigkeiten- und vor allem auch Erfahrungsstand eines spezialisierten Arztes (Mindestweiterbildung 8 Jahre) zu bringen, ist illusorisch. Warum soll der ärztliche Behandlungsmaßstab für die präklinische erforderliche Notfallversorgung von Schwerstkranken und Schwerstverletzten gerade hier nicht gelten?

Jeder Patient in einer lebensbedrohlichen Situation muss in einem Krankenhaus unter deutlich besseren Grundbedingungen (Personalstärke, Räumlichkeiten, Diagnostik, Therapie, interkollegiale Zusammenarbeit etc.) zwingend durch einen Facharzt behandelt werden. Es ist aber in keinster Weise akzeptabel, dass in der präklinischen Situation unter wesentlich widrigeren Bedingungen (wenig Personal, schlechte räumliche Bedingungen, schlechtere apparative Ausstattung etc.) derselbe Patient plötzlich nicht einmal mehr von einem approbierten Arzt, sondern von einem Vertreter eines medizinischen Assistenzberufes behandelt werden soll.

Aktuell werden daher sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene Diskussionen darüber geführt, wie auch für die Zukunft eine bestmögliche notfallmedizinische Versorgung in der Präklinik sicherzustellen ist. Die verschiedensten Argumentationen beinhalten dabei teilweise gegensätzliche Zielsetzungen und Vorstellungen, auch werden immer grundsätzliche Aspekte und Voraussetzungen vermischt.

Juristisch gesehen ist dabei selbstverständlich von Bedeutung, was das in der rettungsdienstlichen Versorgung eingesetzte Personal formal alles am Notfallpatienten machen darf. Aus ärztlicher Warte und gerade auch aus Sicht der potenziell betroffenen Patienten ist aber noch wesentlich wichtiger, was derjenige nicht nur darf, sondern letzten Endes auch kann, sprich sicher beherrscht, sowohl was die Indikation wie auch was die Durchführung angeht inklusive potentiell auftretender Probleme und Zwischenfälle . Dies ist übrigens bisher auch Gesetzeslage. Insofern ist es speziell in Situationen mit bestehender oder akut drohender Lebensgefahr unerheblich, ob ein Notfallsanitäter entsprechende notfalldiagnostische und notfalltherapeutische Maßnahmen im Rahmen seiner ja praktisch schon bestehenden Notfallkompetenz vornimmt, oder durch eine generelle gesetzlich verankerte Erlaubnis zur Ausübung von bestimmten invasiven Notfallmaßnahmen durchführt. Entscheidend ist nämlich der Maßstab, der an solche ärztlichen bzw. notärztlichen Maßnahmen anzulegen ist. Es wäre daher bei einem Schadensfall der gleiche Sorgfaltsmaßstab anzuwenden, ob nun ein Notarzt oder ein Notfallsanitäter die Maßnahmen durchführt. Dies ist im Übrigen der eines erfahrenen Facharztes. Daher vertritt die agbn die Auffassung, dass sich die zivil- wie strafrechtliche Situation für Notfallsanitäter ggf. sogar verschlechtern würde, sollten sie zukünftig invasive Notfallmaßnahmen erbringen müssen, für die sie lediglich theoretisch im Unterricht und praktisch an Übungsphantomen qualifiziert werden können.

Die Ausbildung zum Notfallsanitäter ist unumstritten anspruchsvoll. Die Notfallsanitäter sind sehr gut geschult und trainiert. Was diese Ausbildung aber nicht ersetzen kann, ist die ärztliche Kompetenz der differenzierten Anamnese, der Diagnose- und der Indikationsstellung. Ebenso nicht der für invasive Notfallmaßnahmen zusätzlich erforderliche klinische Erfahrungs- und Fertigkeitserwerb, insbesondere auch was das rechtzeitige Erkennen und erfolgreiche Behandeln von etwaigen Komplikationen betrifft. Im Falle einer invasiven Notfallbehandlung von Säuglingen oder Kleinkindern ist zudem eine weit darüberhinausgehende spezielle Expertise und Erfahrung vonnöten.

Jeder Notfallpatient, der einen Notarzt braucht, muss ihn auch in Zukunft bekommen!

Wir brauchen bei medizinischen Notfällen engagierte und gut ausgebildete Ersthelfer, wir brauchen definitiv auch die Notkompetenz auf Seiten der Notfallsanitäter, aber wir brauchen auch in Zukunft zwingend die Berufsgruppe Notarzt vor Ort. Was wir nicht akzeptieren werden, ist ein Notarzt light, ohne Approbation und ohne klinisch erworbenen Fachkunde.

Abschließend soll nicht unerwähnt bleiben, dass in Bayern auf Basis des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes die Sicherstellung für die notärztliche Versorgung bei der Kassenärztlichen Vereinigung verankert ist. Wir als agbn sind der festen Überzeugung, dass das auch in Zukunft so bleiben muss, da es trotz nicht immer einfacher Konstellationen ein über Jahrzehnte bewährtes System ist. Primäres Ziel der agbn ist eine kompetente Versorgung unserer Notfallpatienten auf höchstem fachlichen Niveau. Deswegen lehnen wir Gesetzesinitiativen, die den Arztvorbehalt aufweichen und zu Qualitätsabstrichen führen, entschieden ab. Die möglicherweise daraus resultierenden Folgen aus diesen „Aufweichungen“ für unsere Notfallpatienten sind weder vorhersehbar noch akzeptabel. Deshalb müssen wir gemeinsam an der Zukunft der Notfallmedizin in Bayern arbeiten.

Der Vorstand der agbn