agbn-Newsletter 2019/11
Liebe Mitglieder der agbn!
Zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Notfallsanitätergesetzes (Bundesratsbeschluss vom 11. Oktober 2019, Drucksache 428/19) eine
Stellungnahme der agbn zur aktuellen Diskussion:
Medizinische Notfallsituationen mit akut bestehender oder akut drohender vitaler Gefährdung bedürfen in der Regel auch invasiver notfallmedizinischer Maßnahmen. Wir, die agbn, vertreten die Auffassung, dass diese grundsätzlich nur von Ärzten mit nachweislicher Qualifikation in der präklinischen oder klinischen Notfallmedizin vorgenommen werden dürfen. Ein Teil dieser -als invasiv- geltenden Maßnahmen erfordert nicht nur entsprechende theoretische Kenntnisse sowie die praktische und regelhafte Übung bezogen auf die Durchführung, sondern insbesondere auch die entsprechende medizinische, sprich klinische Erfahrung in Bezug auf die korrekte und zeitgerechte Indikationsstellung sowie Risiko-Nutzen-Abwägung, hier ebenso der Alternativen, insbesondere aber auch ein entsprechendes Wissen und Können, was das eventuell erforderliche Komplikationsmanagement angeht. Aus gutem Grunde stehen diese Maßnahmen daher unter Arztvorbehalt.
In der aktuellen Diskussion um die NotSan-Gesetzesinitiative stellt sich daher zurecht die Frage, inwieweit die Anwendung invasiver notfallmedizinischer Maßnahmen durch Notfallsanitäter im Rahmen der Delegation einerseits legitimiert werden kann bzw. anderseits im Sinne einer Substitution mit Ausübung der Heilkunde einen Notfallsanitäter regelhaft überfordert.
Zwar hat sich die Ausbildung zum Notfallsanitäter im Vergleich zum Rettungsassistenten und zuvor Rettungssanitäter deutlich verbessert, dennoch sind hier nicht nur die Übergangsbestimmungen mit zu bedenken, sondern insbesondere auch die Unterschiede zu den Erwerbsvoraussetzungen einer ärztlichen Approbation samt Zusatzqualifizierung als Notarzt.
Anderseits möchten wir uns als agbn auch nicht dagegenstellen, dass Notfallsanitäter nicht nur im Rahmen der Notkompetenz nach § 34 StGB, sondern auf Basis von länderspezifischen Regelungen per delegationem auch ausgewählte invasive Maßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen durchführen dürfen, sofern diese für die unmittelbare Abwendung einer bereits bestehenden oder zumindest akut drohenden Lebensgefahr tauglich sind, und hierfür entsprechende Qualifikationsvoraussetzungen nachweislich vorliegen.
Eine Durchführung von invasiven Notfallmaßnahmen durch Notfallsanitäter per substitutionem lehnen wir allerdings ab, da schlechterdings fachlich nicht vorstellbar ist, wie im Rahmen der Ausbildung zum Notfallsanitäter die dafür zwingend erforderlichen Qualifikationsanforderungen erfüllt werden können, so dass ein Notfallsanitäter diese völlig alleinverantwortlich durchführen kann, zumal hier der übliche Sorgfaltsmaßstab für notärztliche Maßnahmen anzulegen wäre. Jedenfalls kann dieser nicht ausnahmsweise niedriger sein, nur, weil die Maßnahmen nicht von einem Arzt, sondern einem Notfallsanitäter erbracht werden. Unabhängig davon ist offen, inwieweit sich überhaupt Haftpflichtversicherer finden und Versicherungsabschlüsse erzielen lassen, die etwaige Schadensrisiken im Zusammenhang mit der Durchführung invasiver Maßnahmen durch Notfallsanitäter im Rahmen der Ausübung der Heilerlaubnis abdecken.
Vital bedrohte Notfallpatienten brauchen den Notarzt und den Notfallsanitäter, und zwar als perfektes Team. Wenngleich zukünftig die Probleme in der flächendeckenden Besetzung der Notarztstandorte nicht einfacher werden dürften, kann dies gerade nicht dazu führen, dass speziell bei der Behandlung von Schwerstkranken und Schwerstverletzten in der präklinischen Phase die Qualifikationsanforderungen sowie Sorgfaltsmaßstäbe herabgesetzt werden, und Maßnahmen, die bislang nach der gängigen Rechtsauffassung unter Arztvorbehalt standen, nun vollverantwortlich auf den Notfallsanitäter übertragen, also substituiert werden.
Gerade im Sinne des Patientenwohles und der Patientensicherheit auf der einen Seite, wie auch der Handlungs- und Rechtssicherheit für unsere Notfallsanitäter auf der anderen Seite unterstützen wir die Ausweitung der Regelungen zur Delegation auf Länderebene, nicht jedoch einen bundeseinheitlichen Übergang zur Übertragung der Heilerlaubnis an Notfallsanitäter auf der Grundlage des Heilpraktikergesetzes aus dem Jahr 1939.
Grundsätzlich begrüßt die agbn ausdrücklich eine klare Regelung des Tätigkeitsspektrums des Notfallsanitäters wie auch die Bedeutung von gut ausgebildeten Notfallsanitätern für eine optimale Patientenversorgung im Team vor Ort. Der 3-jährige Ausbildungsgang zum Notfallsanitäter ist aber in keinster Weise der Weiterbildung eines Arztes mit Zusatzbezeichnung Notfallmedizin (mindestens 8 Jahre) gleichzusetzen. Nur der Arzt kann eventuell auftretende Komplikationen einer Intervention beherrschen, nicht aber ein Notfallsanitäter. Aus o.g. Gründen lehnt die agbn die Substitution von ärztlichen Tätigkeiten wie in den Ausführungen des §4. Abs (2) 1c ab. Hier werden ärztlich verantwortete invasive Maßnahmen, welch e eigenständig durch den Notfallsanitäter durchzuführen sind, ausdrücklich erwähnt.
Die agbn bleibt auch zukünftig bei Ihrer Forderung:
Jeder Notfallpatient in Bayern, der einen Notarzt benötigt, bekommt auch seinen Notarzt vor Ort.
Würzburg, den 07.11.2019
Prof. Dr. Alexander Beck
Dr. Thomas Jarausch
für den agbn Vorstand